Es ist Freitag der 22.03.2019.
Der Tag fängt normal wie jeder andere an. Mein Mann und Mia fahren in den Kindergarten bzw. in die Arbeit und ich bleibe noch ein bisschen liegen bevor ich in den Tag starte, denn die Nacht wurde mal wieder durch meinen Drang aufs Klo zu gehen unterbrochen.
Wie jeden Freitag hatten wir auch diesmal vor am Nachmittag unseren Wochenendeinkauf zu erledigen, weshalb ich vormittags noch zu Hause ein paar Dinge von der to-do-Liste abarbeitete. Ich räumte ein bisschen auf, backte ein Bananenbrot, auf welches ich schon tagelang Lust hatte und schaute ein paar Pakete durch, welche im Laufe der Woche angekommen waren. Und während ich am Boden saß und mit dem Betthimmel für’s Babyzimmer kämpfte, merkte ich plötzlich ein nasses Gefühl in der Hose. Verunsichert ging ich schnell zur Toilette. Ich versuchte meinen Harndrang zu kontrollieren bzw. zurückzuhalten. Zum Glück funktionierte mein Beckenboden noch tadellos, weshalb mir recht schnell klar war, dass das kein Urin in meiner Hose sein kann.
Ich blieb ruhig, schrieb meinem Mann eine Nachricht, dass ich vermutlich ein bisschen Fruchtwasser verliere und widmete mich weiter meinen Paketen. Mein Mann beendete alles in der Arbeit und machte sich auf den Weg nach Hause. Währenddessen merkte ich immer wieder, dass Fruchtwasser tröpfchenweise austritt, sodass ich meine Mama verständigte, dass wir Mia am Nachmittag vorbei bringen, da es vermutlich bald losgehen könnte. Dann beschloss ich noch baden zu gehen, da mir meine Hebamme empfohlen hat ein Heublumenbad zu nehmen, wenn ich das Gefühl habe es könnte demnächst losgehen. Und was macht man nicht alles um den Körper auf die Geburt vorzubereiten? Also gesagt, getan.
Da ich zu diesem Zeitpunkt noch absolut keine Wehen hatte, wollte ich noch den Tipp mit den Nelkenöltampons ausprobieren, welche ja wehenfördernd sein sollen, da ich eine Einleitung im Spital vermeiden wollte. Bei Mia hatte ich damals einen Blasensprung, aber keine Wehen, weshalb eingeleitet wurde. Sowas wollte ich nicht nochmal durchmachen.
In der Zwischenzeit ist auch schon mein Mann und Mia nach Hause gekommen. Wir überlegten kurz wie wir weiter vorgehen und kamen zu dem Entschluss noch ein bisschen abzuwarten, ob ich noch mehr Fruchtwasser verliere. Während ich das o.b. hatte, blieb meine Hose trocken, sodass ich sofort wusste, dass es nur Fruchtwasser und kein Urin sein konnte.
Ich schickte meinen Mann alleine los den Einkauf zu erledigen und legte mich währenddessen auf die Couch und spielte noch mit Mia. In dieser Zeit merkte ich, dass ich ganz leichte Bauchschmerzen bekomme. Unglaublich wie schnell die Nelkenöltampons ihre Wirkung gezeigt haben. Es waren zwar noch keine richtigen Wehen, aber es tat sich etwas. Außerdem spürte ich, als ich mich aufsetzte oder aufstand, dass ich wieder Fruchtwasser verliere. Mittlerweile konnte sogar der Tampon nichts mehr aufsaugen.
Als mein Mann vom Einkaufen zurückkam, schnappten wir uns meine Kliniktasche, fuhren zu meinen Eltern, um Mia abzugeben und machten uns auf den Weg ins Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt dachten wir tatsächlich, dass wir bald ein zweites Mal Eltern werden. Ich verabschiedete mich von Mia und sagte ihr: „Morgen ist dein kleiner Bruder bestimmt schon da.“
Tja, Pustekuchen…
Im Krankenhaus angekommen wurde ich gleich untersucht und es wurde ein CTG gemacht. Die Hebamme meinte nur, dass es sich nicht um Fruchtwasser handelt, was ich in dem Moment ja absolut nicht glauben konnte, und schickte uns wieder nach Hause. Als ich sie nach dem CTG fragte, sagte sie, dass noch keine Wehen zu sehen sind, aber die Gebärmutter etwas unruhig ist.
Na toll… so haben wir uns das aber nicht vorgestellt…
Ausgestattet mit XXL Binden, um das Fruchtwasser aufzuhalten (ja, es war tatsächlich Fruchtwasser wie sich später noch rausgestellt hat) fuhren wir also wieder nach Hause. Als wir zu Hause ankamen war es bereits ca. 22:00 Uhr, ich war hundemüde und beschloss direkt ins Bett zu gehen.
Um 02:00 Uhr wurde ich mit Bauchkrämpfen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Das waren Wehen. Eindeutig. Es fiel mir schwer wieder einzuschlafen, doch die Schmerzen ließen dann doch nach und ich konnte weiterschlafen. So gegen 03:30 wurde ich wieder wach… wieder eine Wehe. Und in dem Moment wusste ich, jetzt geht es los… heute werden wir Eltern. Ich war ziemlich nervös und versuchte noch ein bisschen weiterzuschlafen bis ich so gegen 05:00 Uhr morgens wieder eine Wehe spürte. Danach konnte ich nicht mehr einschlafen und bin um 06:00 Uhr aufgestanden, obwohl ich extrem müde war. Ich beschloss noch ein Bad zu nehmen, um zu sehen, ob sich die Wehen beruhigen oder stärker werden. Während den 10-15 Minuten in der Wanne merkte ich aber keine weitere Wehe. Als es mein Mann dann auch endlich aus dem Bett geschafft hat, starteten wir den Tag gemütlich bei einem Frühstück, gingen noch eine Runde spazieren und nahmen dann noch ein paar letzte kleine „Baustellen“ im Haus in Angriff. Im Babyzimmer musste noch eine Lampe aufgehängt werden, der Betthimmel musste noch gewaschen, gebügelt und am Babybett montiert werden, das Beistellbettchen habe ich frisch bezogen und im Schlafzimmer haben wir noch einen Spiegel aufgehängt.
Während all diesen Arbeiten musste ich immer wieder mal eine Wehe veratmen. Stündlich. Und von Wehe zu Wehe wurde es schmerzhafter, aber dennoch war es relativ erträglich. Ich wusste ja immerhin, dass es zum Ende hin noch deutlich schlimmer wird.
Am Nachmittag waren wir sowie mein Bruder und meine Schwägerin bei meinen Eltern zum Kaffee und Kuchen eingeladen. Das Treffen stand schon länger fest. Keiner konnte ja wissen, dass sich unser kleiner Baby Boy ausgerechnet diesen Tag als Geburtstag aussucht.
Da das Haus meiner Eltern sowieso am Weg zum Krankenhaus liegt, beschlossen wir die Kliniktasche gleich mitzunehmen, falls wir von meinen Eltern gleich direkt weiterfahren möchte/müssen. Während wir bei meinen Eltern waren kamen die Wehen bereits alle 25-30 Minuten. Mein Mann telefonierte kurz mit der Hebamme im Spital, welche uns dazu geraten hat noch etwas abzuwarten und vielleicht ein warmes Bad oder eine Dusche zu nehmen. Natürlich hätten wir auch gleich ins Spital kommen dürfen, aber dann hätten wir dort auf und ab gehen müssen, bis die Wehen stärker und häufiger werden. Und das wusste ich, weshalb ich lieber noch ein bisschen zuwarten wollte. Da ich mich lieber zu Hause als bei meinen Eltern entspannen wollte, fuhren wir am späten Nachmittag wieder nach Hause. Während der 20-minütigen Autofahrt hatte ich wieder eine ziemlich starke Wehe. Mein Mann war schon ganz verunsichert und wollte direkt umdrehen und ins Krankenhaus fahren, doch ich bestand darauf nach Hause zu fahren. Zu Hause angekommen (so gegen 17:30) ging ich erstmals warm duschen und freute mich es mir gleich auf der Couch gemütlich machen zu können. Doch daraus wurde nichts. Plötzlich hatte ich Wehen in 5-10 Minuten Abständen. Mein Mann wurde sichtlich nervös und während ich mich noch nach dem Duschen gemütlich eingecremt habe, meinte er nur: „Das ist jetzt aber nicht dein Ernst oder?“
Oh doch, das war mein Ernst… ich cremte mich also fertig ein, packte in Ruhe meine letzten Sachen in die Kliniktasche, veratmete eine Wehe nach der anderen und etwa eine halbe Stunde nachdem wir zu Hause angekommen waren, machten wir uns wieder auf den Weg ins Krankenhaus.
Die Autofahrt war ganz schön turbulent. Die Wehen waren bereits richtig stark und mittlerweile waren wir bei 3-5 Minuten.
Beim Spital angekommen, musste ich vor dem Aussteigen gleich mal die nächste Wehe veratmen. Es war mittlerweile kurz vor 19:00 Uhr. Wir gingen rein und während wir beim Aufzug standen kam schon die nächste Wehe. Wir fuhren rauf und oben angekommen zack… die nächste Wehe. Wir gingen zur Geburtenstation und während mein Mann mit der Hebamme sprach und ich aufgenommen wurde, veratmete ich schon die nächste Wehe. Eine Hebamme kam zu mir und sagte: „Na da geht ja schon ganz schön was weiter.“ Und ehe ich etwas sagte konnte überkam mich schon die nächste Wehe. Die Wehen kamen nun alle 1-2 Minuten. Wir wurden in den Kreissaal gebracht, ich wurde an das CTG gehängt und bekam einen Venenzugang gelegt. Die Hebamme untersuchte mich und informierte uns, dass der Muttermund bereits 4cm offen ist. Sie fragte mich wie ich die Wehen am liebsten veratmen möchte. Ob liegend, gehend oder sitzend. Sie empfahl mir den Peziball, welchen ich gerne annahm. Die Wehen waren mittlerweile so schmerzhaft und mein Rücken tat im unteren Bereich abnormal weh. Die Hebamme drückte und massierte mit ihrer Hand während den Wehen fest mein Kreuzbein, was sich tatsächlich gut anfühlte. Irgendwann kam der Moment als ich einen starken Pressdrang verspürte. Ich teilte dies der Hebamme mit und begab mich aufs Bett. Ich blieb auf den Knien, da es einerseits bequemer als Liegen war und man außerdem auch noch von der Schwerkraft profitieren kann.
Ich presste und presste und spürte wie der Kopf von meinem Baby immer tiefer in den Geburtskanal rutscht. Ein unglaubliches Gefühl, welches ich von Mia’s Geburt nicht kannte, denn da lief alles etwas anders ab und Mia wurde mit der Saugglocke während einer Wehe rausgezogen. Das ging einfach nur ultraschnell und war ein Schmerz den ich bis heute nicht vergessen habe und wohl auch nie werde.
Ich presste also weiter und dachte nur: „Jetzt… Jetzt ist sicher der Kopf durch.“ als ich die Hebamme sagen hörte: „Super, ich kann schon die Haare sehen.“
Und ich dachte nur: „WAAAS? Was heißt hier Haare?? Ich dachte der Kopf ist schon draußen!!“
Aber nein, nichts da… ich war mittlerweile am Ende meiner Kräfte und sagte zu meinem Mann: „Ich kann nicht mehr…“ Dann kam wieder eine Wehe, ich drückte mein Gesicht in den vor mir liegenden Polster, schrie und presste um mein Leben und dachte mir: „Jetzt… jetzt musst du nochmal ordentlich und noch stärker pressen, dann hast du es geschafft.“ Und tatsächlich… ich nahm noch einmal meine ganze Kraft zusammen, presste so fest ich konnte und dann merkte ich als das Köpfchen durch war. Geschafft! Der restliche Körper kam dann mit der nächsten Wehe raus. Während ich im Vierfüßlerstand auf dem Bett war, sah ich unten durch meine Beine durch und sah ihn… da lag mein kleines Baby. Ganz ruhig und entspannt. Ich fragte die Hebamme etwas panisch: „Wieso schreit er nicht?“ Doch sie beruhige mich, dass Babies nicht immer gleich schreien und gab ihn mir durch meine Beine durch nach vorne. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er war so klein und zart und soo süss. Unser kleiner Louis, geboren am 23.03.2019 um 21:14 Uhr , 53 cm groß und 3270 g schwer.
Er wurde mir dann direkt auf die Brust gelegt und wir versuchten ihn gleich anzulegen, was sehr gut geklappt hat. Der stolze Papa durfte dann die Nabelschnur durchtrennen und ich musste noch die Plazenta gebären. Wir durften dann etwa eine Stunde mit unserem kleinen Louis kuscheln und dann wurde er untersucht, gemessen und gewogen. Währenddessen wurden meine Geburtsverletzungen genäht.
Nach der Geburt erzählte mir die Hebamme übrigens, dass meine Fruchtblase mit Sicherheit schon früher geplatzt ist, denn als wir im Spital ankamen und sie mich untersuchte, spürte sie die Fruchtblase nicht mehr. Also hatte ich doch Recht. Ich wusste ja, dass ich mir nicht in die Hose gemacht habe. So viel Kontrolle hatte ich noch über meinen Körper.
Anschließend wurden wir in unser Familienzimmer, welches zum Glück verfügbar war, gebracht und noch mit einem Abendessen versorgt.
Am nächsten Tag, bevor wir nach Hause fuhren, holte mein Mann die Mia zu uns ins Spital und die große stolze Schwester konnte zum ersten Mal ihren kleinen Bruder halten. Ich sag’s euch… das ist ein Gefühl… da hüpft das Mama-Herz und ich könnte in dem Moment während ich das schreibe schon wieder losheulen.
Während meiner Schwangerschaft hatte ich immer Angst und Bedenken, ob ich mein zweites Kind genauso lieben könnte wie Mia. Vor allem habe ich mich nie als Bubenmama gesehen. Doch nun weiß ich es besser… man liebt seine Kinder über alles und es macht absolut keinen Unterschied, ob Bub oder Mädchen, ob erstgeboren oder zweitgeboren. Wie sagt man so schön: Die Liebe einer Mutter teilt sich nicht zwischen ihren Kindern, sie vervielfältigt sich.
Ich bin unglaublich dankbar, dass wir zwei gesunde Kinder haben und nun als Familie zu viert durch’s Leben gehen. Danke Louis, dass du uns als Familie komplett gemacht hast.